architecture . landscape . urbanism
DIE SONNE

Realisierungsprojekt für ein schwimmendes Erlebniszentrum, in Zusammenarbeit mit IBA See und Bollinger + Grohmann Ingenieure, 2007 - 2010, Bergheider See

Die Konzeption des Projekts beginnt mit der Betrachtung des landschaftlichen Kontextes und des zu erwartenden künftigen Landschaftsbildes des Lausitzer Seenlandes. Die Geschichte der Region bildet die Matrix für den hochbaulich-konstruktiven Entwurf. Die Abraumförderbrücke F 60 -ein technisches Kulturerbe- steht als Relikt in einer postindustriellen Landschaft. Den vorhandenen und prägenden Elementen -der F60 und der Seenlandschaft- wird die Interpretation einer aufgehenden SONNE als positiv belegtes, universell lesbares Superzeichen hinzugefügt. Die technisch-konstruktive F 60 kommuniziert mit der sinnlich-energetischen SONNE. Die Energie der Sonne steht für den Wandel des Braunkohlelandes Lausitz in das neue Energieland Lausitz. Das strukturelle System bildet eine Morphologie der Sonne als Feuerball. Fünfzehn s-förmige Bänder umschließen die Kalotte und tauchen an ihren Enden tangential zur Ursprungskugel in das Wasser ein. Damit vervollständigen sie die visuelle Wahrnehmung der SONNE als Kugel. Durch die Berührung der Bänder untereinander, werden einzelne statisch wirksame und raumbildende Felder ausgebildet. Die erforderlichen Aussenräume (Terrassen) können bestmöglich in die Kubatur der Kalotte integriert werden, ohne dass sie als Einschnitte in die Geometrie wahrgenommen werden. Die 43m bis 65m langen Bänder bilden paarweise ein konstruktives Tragelement. Die 4m weit gespannten Felder greifen abwechselnd als geschlossene oder offene Flächen ineinander.
Die Sonne als schwimmendes Erlebniszentrum bietet unterschiedliche Möglichkeiten der Nutzung. Durch die zentrale Positionierung der Funktionsräume, ist eine Abtrennung in zwei getrennte Raumeinheiten möglich. Eine Kopplung dieser zwei Bereiche ist unproblematisch und erlaubt bei temporären monofunktionalen Nutzungen entsprechende Zonierungen. Das Obergeschoss kann getrennt genutzt werden, aber auch in Ausstellungs- oder Veranstaltungskonzepte mit integriert werden.
Bereits im historischen Gartenreich Dessau-Wörlitz strebte Fürst Franz von Anhalt-Dessau eine harmonische Verbindung von Mensch und Landschaft an. So entstand -für jedermann öffentlich zugänglich- ein grenzenloser Park, eine Art magische Wunderwelt, gefüllt mit Reminiszenzen und baulichen Devotionalien. Man kann nur vermuten, was im Jahr 1770 in Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau vorgegangen sein muss, als er inmitten der feuchten Landschaft der Elbauen stand. Als trostlos und öde wird er den meterhohen Morast der Überflutungen empfunden haben, die sein Gartenreich immer wieder zunichte machten. Im Jahr 1766 blickte er auf die dürren Schlackeberge Neapels und in den Krater des Vesuvs. Dessen künstlicher Bruder entstand daraufhin in Wörlitz: der „Vulkan Stein“; ein sehr sinnliches Reisesouvenir als Erinnerung an eine der eindruckvollsten Landschaften seiner Grand Tour. Zur gleichen Zeit, wie im Wörlitzer Vesuv Feuer glühte, setzte auch die Industrielle Revolution mit den heute sichtbaren Veränderungen der Landschaft ein und mündete in die Ära des Industriellen Gartenreiches. Einer Tagebaulandschaft, wie von düsterer vulkanischer Schlacke durchzogen. Würde sich der Fürst an die schroffen Hänge des von ihm so verehrten Vesuvs und an seine weiten Lavafelder erinnert fühlen? Wenn die letzten Tagebaue geflutet sind, wird im Lausitzer Braunkohlerevier die größte künstlich geschaffene Seenlandschaft Europas liegen. Die Pegel steigen bereits, ein langsames Überfluten setzt ein, die Landschaft der Schlacke geht über in ein Land des Wassers. Hätte Fürst Franz, der Wörlitzer Deichmeister, nicht enormen Gefallen daran gefunden? Eine künstliche Schwester der SONNE, schwimmend im neuen Seenland, hätte ihn sicherlich erfreut.